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Das Urteil von Netzwerk Marketing

Um den Scharia-Status dieser Art von Geschäft zu klären, ist es zunächst einmal notwendig, die Methodik dieses Verkaufsverfahrens zu klären.
Die Geschäftsart Netzwerk Marketing, erfunden von Karl Richenberg, tauchte in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts im Westen auf. Das Geschäft entwickelte sich auf diese Weise vor allem in Amerika weiter und vervielfachte sich im Laufe der Zeit rasant.

Solche Unternehmen werben mit Versprechen, schnell erfolgreich oder reich werden zu können. Netzwerk Marketing oder auf Englisch „Network Marketing“ oder Multi-Level-Marketing (MLM) oder Empfehlungsmarketing ist definiert als ein System, das beim Verkauf von Waren oder Dienstleistungen die Empfehlungen einer vertrauenswürdigen Personen für geschäftliche Zwecke verwendet. Während andere es als ein Marketingprogramm definieren, das seinen Teilnehmern den Erwerb von Arbeitsrechten anderer Teilnehmer, den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen sowie die Übernahme einer Provision für die Einstellung neuer Teilnehmer im Netzwerk anbietet. Vereinfacht formuliert: „Kaufen Sie das, was wir anbieten, um Marketing zu betreiben, dann werden Sie als Mitarbeiter Geld verdienen“ oder ein wenig spezifischer: Network Marketing besteht darin, eine Person zum Kauf bestimmter Waren zu bewegen, um durch den Kauf von Waren neue Teilnehmer zu gewinnen, damit diese auch andere Teilnehmer anziehen können usw.

Je höher die Bandbreite an Teilnehmern, die auf einer höheren Ebene der Hierarchie stehen, desto höher sind die Provisionen, die große Summen erreichen.
Jeder Teilnehmer, der nach ihm einen neuen Teilnehmer akquiriert, bekommt eine enorme Provision allein dadurch, dass er es geschafft hat, neue Teilnehmer zu gewinnen, die sich den Mitgliedern des Network-Marketings anschließen bzw. die Ware gekauft haben und für das Geschäft arbeiten wollen.

Wenn wir z.B. ein Unternehmen annehmen, welches Kinderspielzeug produziert und zu jeweils 10€ verkauft, würde es – basierend auf dem der Frage zugrunde liegendem Geschäftsmodell, wie folgt aussehen: Sie würden das Produkt (Das Spielzeug) einem Kunden zum Kauf anbieten und ihm sagen: Wenn Sie dies kaufen, geben wir Ihnen die Möglichkeit, unsere Produkte zu vermarkten, wofür Sie eine Provision erhalten z.B. einen Euro für jeden Kunden, der dieses Spielzeug nur kauft, jedoch erhalten sie sogar die gleiche Provision für jeden Kunden, den Sie als Arbeitnehmer für das Unternehmen anwerben können! Somit sieht dieses Netzwerk wie eine Pyramide aus, wobei diejenigen an der Spitze dieser Hierarchie eine Provision auf jeden Teilnehmer haben, der unter ihnen liegt bzw. den sie oder jene, unter ihnen angeworben haben.
Es sind jedoch einige Zweifel im Bezug auf dieses Modell von Marketing aufgekommen bspw., ob das wahre Motiv der Kunden darin besteht, die Ware zu kaufen oder ob ihr Ziel darin besteht, eine Provision zu erhalten, die sie nur durch den Kauf der Ware erhalten können. Außerdem kaufen viele Kunden riesige Mengen an Produkten, die ihren Bedarf an diesem Produkt übersteigen, da ihr Ziel darin besteht, die Provision durch den Verkauf dieser Produkte zu vervielfachen.

Was sagt die Scharia zu dieser Art des Marketings?

Wenn das Network Marketing drei Kriterien nicht enthält, ist es nach der Mehrheit der Islamischen Rechtsgelehrten erlaubt:

  1. Es darf keine Konditionierung zur Verpflichtung eines Kaufs bestehen, um das Recht zu erhalten, am Marketing teilzunehmen bzw. die Waren mit dem Erwerb einer Provision zu verkaufen.
  2. Die Ware selbst darf nicht haram (vom Scharia Gesetz verboten) sein, wie dies mit z.B. Alkohol oder Schweinefleisch der Fall ist.
  3. Die Möglichkeit des Betrugs und von Hinterlistigkeit muss beseitigt sein, was die Ware, als auch das System angeht.

Der Hauptgrund für die Meinungsverschiedenheit, die im Detail mit Beweisen aufgeführt wird, ist, ob das Ziel des Kaufs des Kunden die wirklichen Waren wie z.B. das Kinderspielzeug ist oder ob er lediglich intendiert, eine (seine) Provision zu erkaufen.

Hierzu gibt es zwei verschiedene Meinungen:

Erste Meinung: Network-Marketing ist haram (verboten)“

Dies ist die Ansicht der meisten zeitgenössischen Gelehrten. Dies ist ebenso die Fatwa (Rechtsurteil) und die Ansicht der meisten islamischen Rechtsschulen und Fatwa-Kommissionen u.a. die Ständige Kommission für Fatawa aus Saudi-Arabien, die Zusammenkunft für den islamischen Fiqh aus dem Sudan, die Zusammenkunft für Fatwa aus dem Jordanland, sowie auch die Ansicht von Experten im Bereich des Geschäftsverkehrs wie z.B Saami As-Suwailim. Dieser war der erste, der sich zu dieser Thematik geäußert hat.
Gelehrte, welche diese Meinung vertreten, betrachteten bei der Analyse dieser Art von Geschäft dieses als ein gemeinsames Ganzes des Kaufs und der Erlangung des Vermarktungsrechts mit einer Provision. Sie haben ebenso darauf geachtet, was die wahre Nijjah (Absicht) und das Ziel des Kunden beim Kauf ist und dies war in den meisten Fällen eben die Provision.

Die zweite Meinung: Das Network Marketing ist erlaubt“

Dies ist die Position des Fatwa-Rates von Ägypten (Al-Azhar), der Gelehrten Salih Es-Sedlan; Scheikh Abdullah ibn Dschibrin und Selman el Audeh. Gelehrte dieser Haltung sahen bei der Analyse dieser Geschäftsform zwei getrennte Einheiten: Einkauf und ein Sonderrecht auf Vermarktung mit Provision. Zudem spielen Zweck und Ziel des Kunden hier keine Rolle.
Gelehrte, die dieser Meinung sind, haben bei der Analyse dieser Art von Geschäft dies differenziert betrachtet. Zum einen der Part, der mit dem Kauf der Ware im Zusammenhang steht und den anderen Part, welcher das Recht auf das Marketing mit einer Provision tangiert. Hier spielt die Absicht oder das Ziel des Käufers keine Rolle.

I. Beweise der Befürworter der ersten Meinung: „Network Marketing ist haram“

  1. Diese Art von Geschäft ist eine Art von Glücksspiel, welche von der Scharia verboten ist, weil sie ein großes Risiko und ein unbekanntes Ende impliziert. Nach ihnen handelt es sich um eine Art Glücksspiel, da die gekauften Waren nicht das Ziel des Kunden sind, sondern die Vermarktung von Provisionen, so dass die Waren ihre Bedeutung und Rolle verlieren und sich folgende Geschäftsform ergibt: Es wird ein bestimmter Geldbetrag gezahlt, um viel größere Geldsummen zu bekommen. Dies ist nichts als reines Glücksspiel. Denn der Käufer, der die Ware bezahlt, kann nicht garantieren, dass er mit einem Kunden ankommt, der über ihn einkauft.
  2. Das Network-Marketing enthält beide Arten von Zinsen, dh. Riba el Fadl (Zinsen für Überschuss) und Riba En-Nesieh (Zinsen für Verzögerung) und es gibt keine Meinungsverschiedenheit unter den Gelehrten, dass beide genannte Arten von Zinsen verboten sind. Marketing beinhaltet Riba el Fadl (Zinsen durch Überschuss), so dass der Kunde zum Beispiel für 10 Euro Ware kauft, sein Ziel dabei natürlich eine Provision ist und eine Provision von 200 KM erhält.
    Da Zinsen in Geld fließen, ist dies eine Form von reinem Interesse (Zinsen). Andererseits enthält Network Marketing Riba en-Nesieh (Zinsen durch Verzögerung), sodass der Kunde heute die Ware kauft, sein Ziel dabei natürlich wieder eine Provision ist und nach einer gewissen Zeit bekommt er eine Provision. Somit gibt er jetzt Geld und bekommt nach einer Weile mehr Geld, welches durch die Nettozinsen aufgrund der Verzögerung entsteht.
  3. Diese Art von Geschäft basiert auf dem ungerechten Verzehren von Menscheneigentum, welches durch den folgenden Koranvers (An-Nisa, 29) verboten wird. Die Eigentümer von Unternehmen und Firmen, die natürlich an der Spitze der Network Marketing Pyramide stehen, verdienen mit einer Provision riesige Summen auf Kosten der untersten Schichten der Network Marketing Pyramide.

يَـٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوا۟ لَا تَأْكُلُوٓا۟ أَمْوَٰلَكُم بَيْنَكُم بِٱلْبَـٰطِلِ إِلَّآ أَن تَكُونَ تِجَـٰرَةً عَن تَرَاضٍۢ مِّنكُمْ ۚ وَلَا تَقْتُلُوٓا۟ أَنفُسَكُمْ ۚ إِنَّ ٱللَّهَ كَانَ بِكُمْ رَحِيمًۭا

O die ihr glaubt, zehrt nicht euren Besitz untereinander auf nichtige Weise auf, es sei denn, daß es sich um einen Handel in gegenseitigem Einvernehmen handelt. Und tötet euch nicht selbst (gegenseitig). Allah ist gewiß Barmherzig gegen euch.

Surah An-Nisa, 29

Die drei bisher genannten Beweise bzw. Argumente werden von den Befürwortern des Network Marketings als nichtig bezeichnet, denn sie sagen, dass der Kunde die Ware für sein eigenes Geld erhalten hat und daher kein Glücksspiel oder Zinsen oder unrechtmäßiges Verzehren von fremdem Eigentum möglich ist.

  1. Network Marketing ist im Kern eine Art kommerzieller Betrug und Täuschung. Mit diesem Handel wird nämlich versucht, bekannt zu machen, dass die Ware das Ziel des Geschäfts ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die Provision ist das Ziel der Beschäftigten. Außerdem werden Kunden getäuscht, zu glauben, dass sie allein durch den Eintritt in das Network-Marketing-System eine riesige Provision erhalten können und die Gewinnung neuer Kunden sich als schnell und einfach erweist. Die Vorteile dieses Geschäfts werden in einem übertriebenen Ausmaß promotet, wobei sich i.d.R. kaum etwas verdienen lässt. Somit handelt es sich meistens um Täuschung und Betrug.

II. Beweise von Befürworter der zweiten Meinung: „Network Marketing ist erlaubt“

  1. Die Grundlage bei zwischenmenschlichen Geschäften ist die Erlaubnis, d.h. es ist erlaubt, bis wir Beweise aus den Scharia-Texten erhalten, die darauf hinweisen, dass etwas verboten ist. Network-Marketing ist eine neue Art von Geschäft, für die es keine Beweise gibt, welche es verbieten könnten. Dem wird widersprochen, dass Network Marketing auf dieser Grundlage entstanden ist, d.h. in dem sie Glücksspiele, Zinsen, Betrug und dergleichen enthalten und jeder dieser Punkte einzeln betrachtet ausreicht, um diese Art von Geschäft zu verbieten. Geschweige denn im Fall dessen, dass alle Punkte zusammengenommen werden.
  2. Network Marketing ist erlaubt, weil es eine Art von Vermittlungsgeschäft ist, die von der Scharia erlaubt ist. Der Kunde hat nämlich die Rolle eines Vermittlers zwischen dem Neukunden und dem Unternehmen inne und verrechnet diese Leistung mit einer Provision.
    Die Antwort darauf ist, dass sich die erlaubte Vermittlung von dieser im Network Marketing unterscheidet, die erlaubte Vermittlung ist im Gegensatz zu letzteren nicht durch den Kauf bedingt.
  3. Das Geld, mit dem der Kunde die Ware bezahlt, ist der Kern dieses Geschäfts und die vom Käufer eingenommene Provision steht im Widerspruch zu seinen Bemühungen und seinem Engagement, einen neuen Käufer zu finden.
    Die Gelehrten des ersten Absatzes antworten auf diesen Beweis, dass die gekauften Waren nicht das Ziel des Kunden sind und es den Kern dieses Geschäfts nicht tangiert, da das Ziel die Provisionen sind und die Ware nur eine Deckung ist, um dies zulässig zu machen. Schlussendlich liegt hier jedoch eine Täuschung vor und wir haben Scharia-Argumente erhalten, die dies verbieten!
  4. Eine Provision im Network Marketing zu nehmen bzw. zu enthalten, wird interpretiert als eine Belohnung für die geleistete Arbeit (Ju’alah جعالة), die im Islam erlaubt ist, so dass der Käufer, der mit einem neuen Kunden kommt, eine Provision verdient.
    Die Antwort darauf ist, dass es einen Unterschied zwischen den beiden gibt, weil die Provision im Network Marketing durch den Kauf von Waren bedingt ist, im Gegensatz zu einer Belohnung für die geleistete Arbeit, wenn sie nicht bedingt ist.
  5. Die Provision fällt unter den vergüteten Bevollmächtigungsvertrag und ist zulässig.
    Dieser Argumentation steht die Unmöglichkeit der Identifizierung zwischen diesen beiden Geschäften entgegen, da der Bevollmächtigte beim Abschluss der Vollmacht nicht für die Bevollmächtigung bezahlt, sondern für seine Tätigkeit nach Vereinbarung der beiden Parteien bezahlt wird.

Die bevorzugte Meinung im Hinblick auf diese Thematik, ist die erste Position der Gelehrten, d.h. Das Verbot von Network-Marketing, und Allah weiß es am besten.

Bei dieser betrachteten Thematik gilt folgendes Vorgehen: Die Bestimmungen auf Basis der Scharia basieren darauf, was die Mehrheit im Fall der betrachteten Thematik intendiert bzw. was in der Mehrheit vorliegt. Basierend darauf erfolgt die Regelung bzw. das Urteil. Im Network Marketing liegt bei den meisten Kunden die Intention zum Erzielen der Provision vor, nicht aber der Erwerb der Waren.
Aus diesem Grund lässt sich sagen, dass Network Marketing nach der Scharia verboten ist, weil es Glücksspiele, beide Arten von Zinsen, illegales Verzehren von fremdem Eigentum und kommerziellen Betrug beinhaltet.

Der Kauf der Ware als Kunde (nicht als Beschäftigter) ist jedoch erlaubt.

Zusammenfassung:

  1. Aus den oben genannten Beweisen kann man sagen, dass Network Marketing nach der Scharia verboten ist, weil es Glücksspiele, beide Arten von Zinsen, illegales Verzehren von fremdem Eigentum und kommerziellen Betrug beinhaltet.
  2. Wenn ein Network Marketing nicht die Kriterien besitzt, wodurch es zu etwas Verbotenem wird, ist es erlaubt, wie im Fall des „Affiliate-Business“.
  3. Das Kaufen der Ware als Kunde (nicht Beschäftigter) ist in jedem Fall erlaubt, wenn die Ware halal ist.