Zunächst einmal muss man klarstellen:
Die islamischen Gelehrten haben eine geteilte Meinung über die Rezitation des Qur’an für eine Frau im Zustand der Menstruation/des Wochenbettes. Die Mehrheit von ihnen ist jedoch der Meinung, dass es einer Frau im Hajdh-Zustand nicht erlaubt ist, den Qur’an zu rezitieren.
Welche Beweise diese Gruppen für ihre Meinungen haben, werden wir hier verdeutlichen und zu einem Schluss kommen, nämlich, dass es einer Frau im Hajdh und im Nifas erlaubt ist, den Qur’an zu lesen.
Anmerkung: Es geht hierbei nicht um das Anfassen des Mushafs (des Qur’ans) sondern um das Lesen dessen.
Die erste Meinung – dass es einer Frau im Zustand der Menstruation überhaupt nicht erlaubt ist, den Qur’an zu rezitieren, unabhängig davon, ob sie den Mushaf berührt oder auswendig gelernt hat.
Dies ist die offizielle Position der drei Madhhabs: Hanafi, Shafi’i und Hanbali.
Einer der Beweise, mit dem sie ihre Position argumentieren, ist der Hadith von Abdullah ibn Umar, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden gewähren, dass der Gesandte Allahs ﷺ sagte: „Es rezitiert nicht der Junub (große abstrakte Unreinheit) oder eine Frau im Zustand der Menstruation irgendetwas aus dem Qur’an.„
Der Hadith wird von Tirmidhi und Ibn Majah aufgezeichnet und Tirmidhi gibt an, dass Imam Bukhari ihn als schwach bewertete. In seinem Sanad (Überlieferungskette) ist der Überlieferer Ismail ibn Ayyash, dessen Hadith von den Muhadith nicht akzeptiert wird, wenn er ihn von den Einwohnern des Hijaz (dem Westen Saudias) übermittelt. Dieser Hadith jedoch ist von ihnen (den Einwohnern des Hijaz).
Außerdem glaubt Abu Hatim, dass dies die Worte von Ibn Umar sind, möge Allah mit ihm zufrieden sein. Daher ist der Hadith, auf Grund der Schwäche vom Überlieferer Ismail und weil es zusätzlich noch wahrscheinlich die Worte des Gefährten Ibn Umar sind, sehr schwach.
Scheikhul- Islam hat diesen Hadith als schwach erklärt und wenn wir hinzufügen, dass sich der schwache Ravi (Überlieferer) Ismail mit diesem Hadith hervorgetan hat und diesen Hadith sonst niemand überliefert, ist das Ergebnis, dass der Hadith sehr schwach ist und kein Argument zu diesem Thema sein kann.
Ein anderer Beweis, den sie als Argument nehmen, dass das Rezitieren des Qurans überhaupt nicht erlaubt sei, ist der Hadith von Alij radiAllahu anhu, in dem er sagte, dass der Prophet ﷺ ihnen (den Sahabis) den Qur’an beibrachte und dass ihn nichts vom Lesen des Qur’ans abhielt außer die Janabah (die große abstrakte Unreinheit. (Abu Dawud, Nr. 1/281; Tirmidhi, Nr. 146 und viele mehr.)
Aus diesem Hadith entnehmen die Gelehrten die Meinung des Verbots, dass es einem Muslim nicht erlaubt ist, den Qur’an zu lesen in einem unreinem Zustand. Hierzu wurde der Hajdh mit der Janabah verglichen und somit wurde das Verbot, den Qur’an im Junubzustand zu lesen ebenso auf den Hajdh angewandt.
Die Positionen dieser drei Madhhabs unterscheiden sich in einigen Details zu dieser Angelegenheit.
Laut den Hanafis ist es einer Frau im Zustand der Menstruation erlaubt, die Fatiha oder eine andere Sure zu rezitieren, die die Bedeutung einer Dua (Bittgebet) hat, wenn sie als Bittgebet ausgesprochen wird und nicht den Quran rezitiert. Die Menstruierende darf aber nicht Suren rezitieren, die nicht die Bedeutung des Gebets haben, wie z.B. die Suratul Mesed, die keinen Vers in Bedeutung eines Bittgebets hat.
Außerdem erlauben sie den Mualimas im Zustand der Monatsperiode, den Qur’an zu lehren, aber ihn Wort für Wort zu rezitieren, um einen Unterschied zwischen Rezitation und Lehre zu haben.
Während die Shafi’is, einer Frau im Zustand der Menstruation, das Rezitieren des Qur’ans verbieten, auch nur einen Teil des Verses, mit der Tatsache, dass sie der Frau erlauben, den Qur’an auswendig zu rezitieren (mit dem Herzen), ohne die Zunge zu bewegen oder man bewegt die Zunge mit. Man darf aber nicht die Stimme hören, die Menstruierende darf ebenso in den Mushaf schauen.
Die Hanabileh verbieten das Rezitieren eines ganzen Verses und das Rezitieren von mehr, während sie das Rezitieren eines Teils des Verses erlauben.
Ebenso erlauben sie auch das Nachdenken über die Quranverse und das Rezitieren des Qur’ans durch Bewegen der Lippen, vorausgesetzt, dass die Lippen nicht die Buchstaben (Huruf) formen.
Außerdem erlauben sie einer Frau im Zustand der Menstruation, einige Worte zu sagen, die im Qur’an stehen, aber nicht zum Zwecke des Rezitierens des Qur’ans, wie die Worte: bismillah, elhamdulillahi rabbil-alemin, inna lillahi ve inna ilejhi radschiun und ähnliches.
Wichtig: Natürlich gibt es in Scharia-Texten keine Beweise für solche Details, ebenso wie es im Grunde genommen keine authentischen Beweise dafür gibt, dass es einer Frau im Hajdh-Zustand verboten ist, den Qur’an überhaupt zu rezitieren.
Die zweite Meinung – dass es einer Frau im Zustand der Menstruation erlaubt ist, den Qur’an zu rezitieren, solange ihr Menstruationsblut fließt.
Dabei ist es gleichgültig, ob sie befürchtet, etwas aus dem Qur’an zu vergessen oder nicht. Wenn jedoch ihr Menstruationsblut aufhört zu fließen, darf sie den Qur’an nicht rezitieren, bis sie den Ghusl vorgenommen hat (Ganzkörperwaschung), weil man eben in der Lage ist, dies zu tun um dann rein zu sein.
Dies ist die Meinung des Malikischen Madhhabs.
Sie beweisen es mit einem authentischem Hadith, der von Muslim in seinem Sahih, überliefert von Aisha, möge Allah mit ihr zufrieden sein, aufgezeichnet wurde, dass sie sagte:
„Der Gesandte Allahs, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, pflegte den Zikrullah (das Gedenken Allahs) in jedem Zustand zu machen.„
Hier ist zu erwähnen, dass das Rezitieren des Qur’ans ebenso Dhikr ist, weil Allah der Allmächtige den Qur’an an mehreren Stellen (im Qur’an) Dhikr nennt.
Die dritte Meinung – dass es einer Frau im Zustand der Menstruation erlaubt ist, den Qur’an zu rezitieren, wenn sie befürchtet, dass sie etwas aus dem Qur’an vergessen wird, wenn sie nicht aus dem Qur’an rezitiert.
In diesem Fall ist es für sie sogar wajib (Pflicht) zu rezitieren, weil es eine Fiqh-Regel gibt, die besagt, dass das, was ohne dessen die Pflicht nicht ausgeführt werden kann, selbst zu einer Pflicht wird bzw. ist.
Diese Meinung wird ibn Taymiyyah zugeschrieben und wird von vielen anderen Gelehrten vertreten.
Die Beweise dieser Meinung und die dazugehörigen Gegenbeweise gegen die erste Meinung sind folgende:
- Die Grundlage das Erlaubte, bis man einen Beweis hat, der das Verbot dieser Sache darstellt. Bei diesem Thema: „Das Lesen des Qur’an im Hajdh-Zustand“ gibt es keinen einzigen authentischen Beweis für das Verbot. Scheikhul Islam ibn Teymijjeh sagte, dass es für das Verbot des Lesens des Qur’ans keine authentische richtige Quelle gibt. Er sagte ebenso: „Es ist bekannt, dass die Frauen zur Zeit des Propheten ﷺ den Hajdh hatten und das dies ihnen nicht verboten wurde, genauso wie es ihnen nicht verboten wurde, Bittgebete zu machen oder Allah zu gedenken.“
- Allah subhanahu we te’ala hat es verpflichtend gemacht, den Qur’an zu lesen. Er versprach große Belohnung für den Leser und das Lesen wird niemandem verboten außer mit einem authentischem Beweis, den wir in diesem Fall nicht haben, wie bereits erwähnt.
- Der Vergleich einer Person, die im Junubzustand ist und einer Frau, die im Hajdh-Zustand ist, ist fern. Da ein Junub seine Unreinheit sofort entfernen kann mit einer Ganzkörperwaschung und sogar muss, wenn es Zeit dafür ist, ein Gebet zu verrichten; für eine Frau im Hajdh-Zustand jedoch ist dies eine längere Zeit nicht möglich. Manchmal und bei manchen Frauen bis zu 15 Tagen. Wenn man das Wochenbett betrachtet, so sind es ungefähr 40 Tage, in denen eine Frau nichts aus dem Qur’an lesen dürfte.
- Wenn die Frau in dem menstruierenden Zustand den Qur’an nicht lesen dürfte, wäre dies ein großer Verlust von guten Taten. Sie könnte sich in der ganzen Zeit nicht beschützen (mit den Muavvizetejn z.b.), sie würde eventuell viel des Gelernten verlernen bzw. des auswendiggelernten verlernen und könnte bei Prüfungen auf den Universitäten, in den Halaqat und ähnliches nicht mitmachen. Dies würde auch gelten, wenn die Frau im Hajdh eine Professorin, Lehrerin oder einfache Muallima ist.
Die auserwählte Meinung ist die Position jener Gelehrten, die einer Frau im Zustand der Menstruation, im Allgemeinen, die Rezitation des Qur’ans ohne jegliche Einschränkungen erlauben.
Ibn Taymiyya, Ibnul-Qayyim und viele weitere zeitgenössischen Gelehrten, wählten diese Position.
Der wichtigste Grund ist, dass es keinen Scharia-Beweis gibt, der es verbietet, einer Frau im Zustand der Menstruation, den Qur’an zu rezitieren.
Auf der anderen Seite haben wir einen glaubwürdigen Hadith, in dem gesagt wird, dass der Prophet, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden schenken, in allen Situationen die Zikrullah verrichtete, die die Rezitation des Qur’ans beinhaltet.
Wenn eine Frau jedoch sicher gehen will, dann kann sie das Lesen auf die Verse reduzieren, bei denen sie befürchtet, diese zu vergessen oder ähnliches.
We billahi et-Teufiq